Veröffentlicht in Autobiografie, Kurzgeschichten

Es war einmal in Sibirien – Teil 3

Kurzgeschichte

(Mit Fragmenten aus dem autobiografischen Buch „In der sibirischen Kälte“).

„Also, es war ein schöner sonniger Herbsttag und ich sechs Jahre alt. Mit wem ich auf dem Streifzug durch den großen Garten unterwegs war, kann ich nicht genau sagen, vermutlich mit der damals achtjährigen Mascha. Jedenfalls hatten wir unsere Unterhosen mit Äpfeln gefüllt …“

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Veröffentlicht in Autobiografie, Kurzgeschichten

Es war einmal in Sibirien – Teil 2

Kurzgeschichte

(Mit Fragmenten aus dem autobiografischen Buch „In der sibirischen Kälte“).

„Auf dem Kartoffelacker verschwand der Schnee immer am schnellsten, weil er ja nicht so fest getrampelt war. Darauf wartete ich schon sehnsüchtig, um mit meinen Feldforschungen loszulegen. Ja, ich hatte meine Bedenken – das gebe ich zu – aber die Erde sah so schwarz, so trocken, so verlockend aus. Kein Fleckchen Schnee mehr, keine Wasserpfützen. Ich wagte es, über den Boden zu laufen, und anfangs ging auch alles gut – fast bis zur Mitte des Feldes. Dann spürte ich plötzlich, wie meine Beine durch das anhaftende Erdreich immer schwerer wurden, und ehe ich mich versah, steckte ich fest. Ich erstarrte vor Schreck, denn der Boden unter meinen Füßen gab mehr und mehr nach. Ich versuchte, ein Bein aus der Erde herauszuziehen. Es gelang mir, allerdings ohne den Gummistiefel – der wollte nicht mit. Was sollte ich tun? Ich sah mich um – kein Mensch zu sehen. Ich war allein! Mitten im Morast! Mich überkam die nackte Panik. Die Vorstellung, in der aufgeweichten Erde zu versinken, war grauenhaft.

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Veröffentlicht in Autobiografie, Kurzgeschichten

Es war einmal in Sibirien – Teil 1

Kurzgeschichte

(Mit Fragmenten aus dem autobiografischen Buch „In der sibirischen Kälte“).

„Hättest du Lust auf eine Reise?“ Die Großmutter lächelt ihre Enkeltochter an. Julia wundert sich. „Jetzt, bei dem schlechten Wetter? Es regnet doch!“
„Das Wetter kann uns überhaupt nichts anhaben, denn es ist eine besondere Reise. Eine, die kein Fahrzeug braucht, sondern nur die Kraft unserer Vorstellung.“
Julia ist neugierig: „Wohin soll es denn gehen?“
„Tausende Kilometer weg von hier – in ein weites Land und in ein Leben, das ganz anders ist, als du es gewohnt bist.“

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Veröffentlicht in Autobiografie, Persönliches

Das Vergnügen und die Pflicht

17. Welche Jahreszeit fanden Sie als Kind am schönsten und warum?

Zu drei Jahreszeiten gibt es bereits Texte von mir, veröffentlicht entweder im autobiografischen Buch oder im Blog („Mein Winter 1969“, „Mein Herbst …“), speziell zum Sommer habe ich noch nichts geschrieben. Warum, frage ich mich und denke: Es liegt wohl daran, dass der Sommer in meiner Kindheit die ’normale‘ Jahreszeit war, die Hauptsaison sozusagen. Sommer bedeutete: Wärme, Licht, Farbenpracht, viel Vergnügen und neue Entdeckungen. Im Sommer spielte das Leben, wenn ich das so sagen darf, wogegen die anderen Jahreszeiten meine Freiheit doch in gewisser Weise einschränkten. Ich fand es zwar traurig, dass ich drei Monate lang die Schule nicht besuchen konnte, dafür brachte der Sommer viele andere schöne Sachen mit sich, Sachen, die im Winter gar nicht möglich waren. Apropos Schulsystem in Russland: Darüber könnte man haufenweise Negatives erzählen, was ja auch stimmte, nichtsdestotrotz ging ich gern zur Schule (meistens jedenfalls 😉). Aber das Thema Schule werde ich sicher noch in einem der späteren Beiträge aufgreifen.
Zurück also zum Sommer
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Der unsichtbare September

In meinem Blog-Kalender fehlt er – der September. Ich habe in diesem Monat zwar einen Entwurf gespeichert, jedoch keinen einzigen Beitrag veröffentlicht. Ja, ich hatte Urlaub. Aber gerade da wäre es doch angebracht, die Ruhe zu nutzen, die Gedanken zu sammeln und etwas zu schreiben. Themen gibt es schließlich genug und Mecklenburg-Vorpommern, wo ich zwei Wochen verbrachte, ist ein wunderschönes Land …

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Veröffentlicht in Autobiografie, Natur, Netzworking, Persönliches

Mein Herbst 1969

Es ist September. Seine Zeit ist gekommen. Im Grunde ist der Herbst schon da, er sammelt sich bloß ein wenig, sucht noch das passende Gewand für dieses Jahr aus, die passende Melodie, den passenden Duft …

Ich denke an die längst vergangenen Tage, die Jahrzehnte zurückliegen, an die Tage meiner Jugend. Da war mein Leben noch im Aufbau, die Zukunft schemenhaft; ich tastete mich mal zögernd und schüchtern, mal ungeduldig und stürmisch voran, meine Sinne sowohl nach außen als auch nach innen gerichtet. Ich brauchte die Zustimmung in der Außenwelt genauso sehr, wie die Harmonie, das Gleichgewicht in mir selbst. Die Jahreszeiten waren für mich oft die Abbildung meiner inneren Welt und umgekehrt.

Ich stellte mir den Herbst als eigenartiges Lebewesen vor, das unbegrenzte Macht besaß und gleichzeitig so feinfühlig sein konnte wie ein Mensch, schnell veränderlich in seiner Stimmung.

Herbst kann fröhlich und strahlend glücklich sein. Elegant und festlich gekleidet duftet er nach seltenem, wahrscheinlich teuerstem Parfum, das an die Vergangenheit erinnert und zugleich einen Hauch der Zukunft in sich trägt. Er genießt die Natur in vollen Zügen und ist mit sich selbst äußerst zufrieden. Aber schon am nächsten Morgen ist von dieser Zufriedenheit nichts mehr zu erkennen. Unglücklich und offenbar von etwas zutiefst verletzt, hat er sich im Schornstein verkrochen, heult, jammert und klagt. Mit trüben Augen schaut er mich durch die Fensterscheibe an, sein dunkles Gesicht ist von Tränen überströmt. Er braucht menschliche Hilfe und Zuneigung.

Auch seine tiefen Depressionen erlebe ich hin und wieder. Schwarze, niedrige Wolken treiben am Firmament. Keine Hoffnung lockt ihn auf blauen Himmel und Sonnenschein. Dem Herbst ist nicht danach – seine Hände sind eiskalt, sein Atem kaum vernehmbar. Er vergießt spärliche, fast gefrorene Tränen auf die harte, graue Erde … Er will niemanden sehen und versteckt sich in den dunkelsten Ecken des Dorfes.

Und wer kennt seine Wutanfälle nicht, in denen er sich mit der Kraft eines wilden, ungebändigten Tieres austobt? Alles Lebende verbirgt sich vor ihm und wartet stumm, dass er endlich todmüde aufgibt und sich wieder beruhigt.

Mein Herbst 1969 …

Wie oft suche ich die Einsamkeit in seiner Gesellschaft, flüchte vor den Menschen in den aus der Ferne schon goldgrün schimmernden Birkenwald. Dort sitzen wir einander gegenüber auf dem prachtvollen Laubteppich und hören uns aufmerksam zu. Er erzählt mir von schönen, fantastischen, manchmal auch schaurigen Dingen und in seiner eigenen Geschichte erkenne ich oft auch die meine. Ich breite vor ihm meine Sehnsüchte, meine Zweifel, meine Schmerzen aus und er stimmt mir nickend und leise raschelnd zu. Keine meiner Offenbarungen wird ihm zu viel, er versteht mich ohne Worte, wie es keinem anderen Wesen gelungen wäre. Mit leichter Brise streichelt er sanft über mein Gesicht und flüstert mir ermutigende Worte ins Ohr …

Ich schreibe dies und verspüre plötzlich Traurigkeit, sogar etwas wie Reuegefühle in mir aufkommen. Mein Herbst der längst vergangenen Jahre … im Erwachsenenleben, in der Hektik des Alltags habe ich ihn nicht mehr beachtet, denke kaum noch an ihn. Ich bin von ihm fort und in die weite Welt gegangen. Ich habe ihn zurückgelassen, in den goldgrünen Wäldern und Feldern Sibiriens. Ihm widme ich diese Zeilen. Ich bin sie ihm seit langem schuldig.