Schon als Kind machte ich mir viele Gedanken über Leben und Tod, über den Kosmos überhaupt. Ich war meistens in meiner eigenen inneren Welt unterwegs (das nennt man wohl „In sich gekehrt“), hatte meine besonderen Tag- und Nachtträume, in die ich flüchten konnte. Das Leben war für mich so etwas wie ein ‚Muss‘. Was blieb mir anderes übrig? Ich war da, ich musste leben. Wo und wie sollte ich mich auch davor verstecken, außer vielleicht in meinen Fantasien? Ich war sogar felsenfest davon überzeugt, dass ich unsterblich bin. Ich und Sterben? Nie im Leben! Wie soll das denn gehen, wenn ich selbst doch die ganze Welt bin? … Es war ein einzigartiges Gefühl, ein Gefühl, das ich nicht einmal beschreiben konnte, sogar jetzt nicht beschreiben kann. Es war wie ein unerschütterliches Wissen, ein Naturgesetz, vielleicht sogar speziell für mich geschaffen.
„Der letzte Augenblick“ weiterlesenSchlagwort: Kind
Erkenntnis
Der Mensch, das Leben, das Universum …
Die faszinierendsten und geheimnisvollsten Themen. Woher kommen wir, wohin gehen wir? Hat unsere Existenz überhaupt einen Sinn?
Das Sterben … Was passiert mit uns, wenn wir aufhören zu atmen, was bleibt von uns, wenn wir nicht mehr da sind? Wir denken nicht viel darüber nach – solange wir zufrieden und gesund sind. Aber irgendwann, zu einem gewissen Zeitpunkt, werden viele von uns sich diese Fragen stellen – vielleicht auch ich. Wie schwer würde es mir fallen, zu realisieren, dass ich todkrank bin, dass mir vielleicht nur noch ein paar Monate zum Leben bleiben? Was würde ich tun, wie würde ich mich verhalten? …
Und wie geht es einem Kind, das erfahren muss, dass es nicht mehr lange zu leben hat?
Das Grab meiner Mutter
Es ist für mich inzwischen so selbstverständlich – mein Leben im Wohlstand, in der Demokratie. Und doch denke ich oft an vergangene Zeiten, daran, was für ein Glück (im Unglück) ich hatte, in Russland als Deutsche geboren zu sein. Sonst wäre meine Familie dem totalitären Regime wohl niemals entkommen.
Eigenartig, dass das Land mir erst im Nachhinein wie ein Albtraum vorkommt. Als ich noch dort lebte und keine Alternativen kannte, schien mir mein Leben normal zu sein.
Ich hatte zu arbeiten und meine Kinder zu versorgen, mich um meinen Mann zu kümmern und meine Freundschaften zu pflegen. Natürlich hatte ich reichlich Kummer, aber auch viele Glücksmomente.
Was der Sozialismus wirklich bedeutet, zeigte sich den Menschen erst in den letzten Jahren der Sowjetunion. Denn als das morsche System in sich zusammenbrach, erblickten wir die zahllosen Leichen im Keller. Die ganze Welt erschauderte angesichts der unmenschlichen Verbrechen an der eigenen Bevölkerung.
Das Alte von Neuem?
Dezember überstanden, wieder einmal. Der Januar und somit das Jahr 2021 nimmt seinen Lauf. Meine Stimmung hat sich gebessert. Bis zum nächsten Dezember oder bis zu irgendeinem Vorfall, der mich wieder aus der Bahn wirft. Da braucht es eigentlich nicht viel. Ich sage nur: Mein Kind. Meine Sorgen. Mein Sorgenkind. Das ist etwas, das ich nicht lösen kann, da hilft auch keine Therapie. Irgendwie muss ich allein einen Weg finden. Oder weiter mir selbst Angst machen, mich quälen …
„Das Alte von Neuem?“ weiterlesenZum Thema Diktatur – Mischas Verbrechen
Diesen Beitrag schrieb ich vor fast genau drei Jahren und heute möchte ich ihn noch einmal veröffentlichen – aus aktuellem Anlass.
In Gedenken an alle, die in den Zeiten des kommunistischen Terrors und unter Stalins Regime leiden und sterben mussten.
Übersetzung (von mir) aus dem Russischen und Fotos – mit freundlicher Genehmigung von Andrej Schalajew – dem Gründer und Betreiber der russischen Internet-Plattform Bessmertny Barak
Wir wissen nicht viel über das Leben von Mischa Schamonin, nur – wie es zu Ende ging. Er war ein Straßenkind und dreizehn Jahre alt, als er am 4. Dezember 1937 in Hungersnot zwei Brotlaibe stahl. Dabei wurde er erwischt und der Miliz übergeben. Es passierte in einem Laden, also war es Unterschlagung von Staatseigentum und somit ein besonders schweres Verbrechen. Kinder zu töten, erlaubte Stalin schon 1935, indem er die Anwendung des höchsten Maßes an Sozialschutz – die Erschießung – ab dem zwölften Lebensjahr legalisiert hatte.
„Zum Thema Diktatur – Mischas Verbrechen“ weiterlesenDu bist (m)ein Schatz
Du hast mich wieder beruhigt, mein lieber Sohn. Nach dem Telefonat mit dir geht es mir schon besser. Du kannst das anscheinend genauso gut, wie dein Vater es konnte. Egal, wie groß meine Sorgen waren, er hat es immer geschafft, mir die Schwere aus den Gedanken zu nehmen. Das war von Anfang an und bis zu seinem Tod so. Auch als wir schon nicht mehr zusammen waren, brauchte ich ihn nur anzurufen und ihm von meinem Problem zu erzählen – er fand jedes Mal die richtigen Worte für mich. Es war der Ton, wie er es gesagt hatte, das Zuversichtliche, das in seiner Stimme lag, die Besorgnis um mich … Vielleicht war es auch das Zusammenspiel von alledem plus eine andere Fähigkeit, die nur er besaß – ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass er dieses Einzigartige (unter anderen guten Eigenschaften) an dich weitergegeben hat.
Du bist ein Schatz – nicht nur für mich, deine Mutter, sondern auch für alle Menschen, die dich kennen und lieben, und – die du liebst.
Menschen in meinem Leben
Elfchen
Elfchen über Menschen zu schreiben ist schwieriger als „normale“, habe ich für mich festgestellt. In elf Wörtern etwas über eine Person und die Beziehung zu ihr auszusagen – geht das überhaupt? Ich habe es versucht …
„Menschen in meinem Leben“ weiterlesenGedanken im Elfchen-Format
Universum, geheimnisvoll, unerschöpflich. Ich bin mittendrin - im Wunder des Lebens. Unsterblich!„Gedanken im Elfchen-Format“ weiterlesen
Der Farbmalkasten
Drabble
Als sie sich langsam nach vorne bückt (diese verdammten Rückenschmerzen!), erkennt Vera endlich den Gegenstand. Ein Farbmalkasten liegt unter der Parksitzbank. Er sieht neu aus! Vera lächelt. Als sie klein war, hatte sie so gern gemalt! Sie erinnert sich noch lebhaft an ihre ersten Aquarellfarben, die bunten Stifte und den schönen, dicken Malblock.
Vera hebt den Farbmalkasten auf und legt ihn vorsichtig auf die Bank. Vielleicht findet ihn ein Kind und freut sich darüber!
Am nächsten Morgen öffnet sie wie gewohnt die Lokal-Zeitung. Sie erstarrt, als eine schwarze Schlagzeile ihr direkt ins Auge springt.
Sprengstoff im Farbmalkasten – Zehnjähriges Mädchen getötet!
Ein Drabble ist eine pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern besteht.
Die Überschrift wird nicht mitgezählt.
Die Freude am Schreiben
Die letzte Rezension (bei Amazon) zu meinem Buch ist sehr lobend und ich freue mich über diese so positive Bewertung, denke aber auch, „Phänomen“ ist zu hoch gegriffen. 😉 Nein, ich bin kein Phänomen; ich schreibe einfach darüber, was mich bewegt, und das gibt mir ein wunderbares, ein befreiendes Gefühl. In gewisser Weise lege ich damit auch meine Last ab, jedoch nicht um sie jemand anderem aufzuerlegen, sondern um mich mitzuteilen und vielleicht auch zu zeigen, dass Offenheit in so manchen Lebenssituationen der bessere Weg ist. Außerdem macht es mir viel Freude, nach den richtigen Wörtern zu suchen, sie zu finden, sie harmonisch miteinander zu verbinden, ihnen eine besondere Bedeutung zu geben und letztendlich Menschen damit zu ergreifen … Schade nur, dass ich so spät mit dem Schreiben angefangen habe. 😦
„Die Freude am Schreiben“ weiterlesenDu bist frei!
„Im eigenen Körper und im Leben gefangen, erwartet mich nichts mehr auf dieser Welt.“
Dieser Satz, ruhig wie eine längst beschlossene Sache ausgesprochen, traf sie mitten ins Herz …
„Du bist frei!“ weiterlesenSo war es und so ist es – Im Krankenhaus
Sechsundzwanzig Jahre schon lebe ich in Deutschland und muss zugeben, ich vergleiche immer noch – dieses Land mit dem anderen, den ersten Teil meines Lebens mit dem zweiten. Das geschieht ohne mein Zutun, die Gedanken sind einfach da – beim Einkaufen, beim Bus- oder Zugfahren, bei alltäglichen Erledigungen. Ich finde die Unterschiede stets aufs Neue erschreckend und bedrückend, besonders im Bereich der Medizin.
„So war es und so ist es – Im Krankenhaus“ weiterlesenDie Geschichte (m)einer Depression
Das Thema Depression kommt immer wieder in meinen Texten vor und trotzdem fehlen mir für die Beschreibung dieser grauen Hexe oft die passenden Worte. Ja, für mich ist sie eine graue Hexe und dazu auch noch mit vielen Gesichtern. Es kann ein hämisch grinsendes, ein Panik einjagendes, ein aus der Ferne beobachtendes, es kann aber auch ein gleichgültiges und nichtssagendes Gesicht sein, aber es ist stets dunkel, farblos und hässlich. Mit einem Wort – grauenvoll.
Sie nahm von mir Besitz, als ich etwa fünf Jahre alt war. Vielleicht war sogar die folgende Episode, die ich noch gut in Erinnerung habe, der Moment, in dem sie sich mir zum ersten Mal zeigte.
Ich kann ja fliegen!
(Für Julia)
Ach, wie schön es ist zu leben! Die Sonne, die Wärme zu spüren! Die Blumen, ihre prachtvollen Farben und Formen, ihre Vollkommenheit zu bewundern, von ihren köstlichen Säften zu trinken!
Ich liebe diese Welt und obwohl ich sie gerade erst betreten habe, kenne ich schon viele ihrer Geheimnisse. Zum Beispiel weiß ich – das riesige Wesen, das in der Nähe auf der grünen Wiese sitzt, mich mit großen Augen betrachtet und die Hand nach mir ausstreckt, ist eigentlich noch ganz klein. Es ist ein kleiner Mensch, ein Kind. Ich weiß sogar, dass es ein Mädchen ist und dass es mich noch nie zuvor gesehen hat. Auch ich sehe es heute zum ersten Mal.
Rosa Ananitschev: Andersrum
Making of
Es sollte eine Kurzgeschichte zu einem Bild werden … eines, auf dem ein kleines Mädchen eine riesige, in die Erde eingepflanzte, leuchtende Glühbirne bestaunt. Eine Mischung aus Fantasie und eigenen Kindheitserlebnissen – zunächst als abgeschlossene Geschichte auf einer Internetplattform.
Im Mittelpunkt steht die kleine Lisa, ein Kind, das in einem sibirischen Dorf aufwächst und Bekanntschaft mit einem geheimnisvollen Fremden macht. Der Fremde will Lisas sehnlichsten Wunsch erfüllen und sie von ihrer Traurigkeit und den Albträumen befreien.
Das kleine Mädchen wuchs mir von Anfang an ans Herz und als ich die fünf Begriffe „Frühlingsbote, Berggipfel, rote Stiefel, Kieselstein, Suppe“ als Vorgabe für eine neue Kurzgeschichte vor Augen hatte, sprangen mich die ‚roten Stiefel‘ förmlich an.
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