Veröffentlicht in Menschsein, Persönliches

Ich bin es – das schwarze Schaf

Meine dreieinhalb Jahre jüngere Schwester gab mir wieder einmal Anlass zum Sinnieren. Ein herzensguter, freundlicher und hilfsbereiter Mensch, kümmert sie sich um unsere andere Schwester, die elf Jahre älter ist als ich, und gesundheitliche Einschränkungen im Alltag hat. Beide wohnen sie in Dortmund, nicht weit weg voneinander. Am vergangenen Sonntag besuchten meine Frau und ich die zwei. Wir verbrachten in der Wohnung der Älteren bei Kaffee und Kuchen ein paar gemeinsame Stunden, redeten über dies und das. Mich wunderte schon, dass die Jüngere das Thema Gott nicht aufgriff. Aber zu früh gefreut. 😃

Auf dem Nachhauseweg nahmen wir sie mit, um sie an ihrer Wohnung abzusetzen. Bevor sie sich verabschiedete, äußerte sie eine Bitte an uns – jetzt kommt’s! – wir sollen doch dringend nachdenken – über Gott und unser Leben, denn sonst können wir nicht gerettet werden. Ich lachte innerlich, sagte aber: Wir denken immer nach.

Wenn ich das schwarze Schaf in der Familie bin, dann ist meine jüngste Schwester mit Sicherheit das weiße – das reinweiße. Diese Behauptung würde sie zweifelsohne zufriedenstellen. Denn sie als gläubiger Mensch ist mit allen Wassern gewaschen und kein einziges Stäubchen kann mehr an ihr haften bleiben. Wobei ich – oh du lieber Gott! – die echte Schande darstelle und das Schlimmste – der Schmutz klebt nicht nur an mir, sondern droht, auch sie zu beflecken. Er würde sogar für noch ein paar Leute in meiner nahen Verwandtschaft reichen, die zwar nicht unbedingt alle an Himmel und Hölle glauben, aber sich von mir fernhalten, um möglichst wenig von dem Ruß abzubekommen. Es tut mir ja schrecklich leid, dass sie sich so vor mir fürchten und für mich schämen müssen, aber ich bin nun mal so … schwarz. Mich ständig zu waschen, nützt da auch nichts.

Da meine Schwester jedoch überzeugt ist, dass sie an ihrer Seite den Allmächtigen hat, fühlt sie sich von ihm bestärkt und vor allem berufen, alles zu tun, um die Schwärze aus meinem ‚Fell‘ herauszubekommen. Koste es, was es wolle. Ich beneide sie nicht; es ist Schwerstarbeit, und nur ich allein weiß, dass sie es niemals schaffen wird.

Warum ich solch eine harte Nuss bin, fragt ihr mich?

Nun, als eigenständige Frau habe ich auch meinen eigenen Verstand und der sagt mir, dass es keine höhere Macht gibt, die über uns Menschen wacht, die uns, ob lebend oder tot, richtet. Dagegen kommt keine Predigt an, sei sie noch so händeringend.

Dann ist da noch etwas, womit meine Schwester zu kämpfen hat: die verkehrte Liebe, der ich zum Opfer gefallen bin, die falschen Gefühle, die mich hindern, den richtigen Weg zu gehen … Oh, Gott, wie soll ich das denn erklären?

Also, noch einmal von vorn. Es gibt doch die Liebe … die Liebe zwischen Frau und Mann …

„Klar, und es gibt die Liebe zwischen Frau und Frau ebenso wie zwischen Mann und Mann“, würdet ihr jetzt ungeduldig ergänzen und mich fragen: „Was ist denn daran so verkehrt?“.

Ja-a, für euch, diejenigen, die das hier lesen, ist es vielleicht sonnenklar und überhaupt nicht verkehrt oder gar schwarz. Jedoch die anderen, die für diese Zeilen leider die Augen verschließen (pfui Teufel!) … die sind der felsenfesten Meinung, dass die Konstellation Frau und Frau oder Mann und Mann vom Gott so gar nicht vorgesehen ist. Mann und Frau (genau in dieser Reihenfolge, mit Mann an erster Stelle, da die Frau laut Bibel ja zum Geschöpf zweiter Klasse gehört) – das ist das einzig Wahre und von höchster Instanz genehmigt, für alle Ewigkeit. Punkt und basta!

Das Interessante – meine Schwester war nicht immer so ‚blütenweiß‘ und auch ich galt nicht von Geburt an als schwarzes Schaf, zumindest nicht äußerlich (das Innerliche sah keiner). Es gab Zeiten, da trug die noch junge Frau kein Kopftuch, dafür aber gern Hosen; sie las nicht ausschließlich die Bibel, sondern auch Liebesromane; sie ging ins Kino und sogar in die Disco. Das Blatt wendete sich vor … vielleicht 30 Jahren. Da erschien ihr eines Nachts der Allvater höchstpersönlich und erklärte, wie sie ihr Leben zu leben habe. Seitdem ist sie in ständiger Bereitschaft … Bereitschaft für Danach. Zu diesem Thema hatten wir schon einmal eine Diskussion, in der sie sehr bemüht war, mir einzuschärfen, dass ein Mensch immer in Erwartung des letzten Gerichts sein müsse.

„Stell dir vor“, sagte sie und Entsetzen schwang in ihrer Stimme mit, „Gott kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten, und du … du bist in diesem Moment im Theater!“

„Aber wenn er Gott ist“, entgegnete ich, „dann ist er doch allmächtig und allwissend, dann findet er mich überall, auch im Theater. Außerdem bin ich hier, auf dieser Welt, um zu leben und glücklich zu sein, nicht um mich für den Tod vorzubereiten.“

Darauf wusste mein Schwesterlein seltsamerweise keine Antwort.

Es ist bemerkenswert, wie die Baptistin ihr ganzes Dasein nach der Bibel richtet und mit der höheren Macht in Verbindung bringt. Wenn ihr etwas Schlimmes passiert, dann ist es das Werk Gottes, indem er prüft, wie treu sie ihm ist. Und so betet sie noch häufiger, noch länger, mit noch mehr Inbrunst. Wenn sich unerwartet angenehme Dinge ereignen, dann hat sie es ganz bestimmt nur dem Schöpfer zu verdanken, und wieder schickt sie Gebete voller Bewunderung gen Himmel. Ist das nicht die Harmonie selbst?

Als mein schwarzes Fell für die Verwandten deutlich sichtbar wurde, haben so einige von ihnen den Kontakt mit mir abgebrochen. Meine Schwester jedoch nicht. Nein, sie überwand ihre Abneigung und rief zwar nicht oft, aber in regelmäßigen Abständen ihre vom Weg abgekommene Schwester an. Sie wusste: Nur ihr kann es gelingen, mich umzuwandeln und wieder in die Spur zu bringen. Sie wagte es sogar, meine Lebensgefährtin und mich in unserer Wohnung zu besuchen. Mit Sicherheit war sie neugierig und wollte wissen, wie denn so der Alltag zweier Lesben aussieht. Ob sie fürchtete (oder auch insgeheim hoffte), etwas zu entdecken, was uns als Monster entlarvte? Sexspielzeug? Noch schlimmer – ganze komplexe Gerätschaften? …

Sie fand nichts, weil auch nichts zu finden war, und die Rosa hatte ihre menschlichen Züge auch nicht verloren, sogar ihre Freundin sah wie eine ganz normale Frau aus. Was für eine Enttäuschung! Die Gläubige wagte auch nicht, das Thema Religion anzusprechen, da sie wohl noch nicht abschätzen konnte, wie die Fremde reagieren würde.

Aber egal wie nett und lieb meine Partnerin sich auch erwies, sie wurde noch lange von der Gottesfürchtigen auf Abstand gehalten. Einladungen zu Feierlichkeiten bekam nur ich. Was ich stets ‚dankend‘ ablehnte.

Eine längere Funkstille zwischen uns Schwestern stellte sich ein, nachdem sie mir am Telefon verkündet hatte, zu welchen Bedingungen ich ihren 50. Geburtstag mitfeiern dürfte. Ich war empört und erteilte ihr sofort die Absage. Sie meinte, ich solle mich nicht so anstellen, was wäre schon dabei, wenn ich allein käme. „Unsere Männer“, sagte sie betont, „gehen doch auch nicht überallhin mit, sie bleiben auch mal zu Hause“.

„Es gibt da aber einen feinen Unterschied, liebe Schwester“, parierte ich. „Euren Männern wird kein Hausverbot erteilt, so wie meiner Frau – sie entscheiden für sich selbst, ob sie euch begleiten oder besser nicht“.

Da ich ein toleranter Mensch und nicht nachtragend bin, nahm ich später ihre Anrufe wieder entgegen. Natürlich pflegt sie in jedem Telefonat ein paar gottgefällige Worte einzuflechten. Ich höre gelassen ihre Tiraden zu Ende und lenke dann das Gespräch in eine andere Richtung, weiß ich doch – streiten hat keinen Zweck.

Und doch brachte sie mich eines Tages erneut an den Rand meiner Geduld.

Meine Schwester wollte mir eine traurige Nachricht überbringen: Die Tochter eines unserer Cousins liege im Koma und werde nie wieder aufwachen. Natürlich sprach ich mein Bedauern aus, obwohl zwischen mir und dieser Familie, aus den gleichen wie oben genannt Gründen, kein Kontakt besteht und ich nicht einmal weiß, wie viele Kinder mein Vetter hat und wie seine Tochter heißt.

Da sagte doch die gute Frau: „Aber zum Glück ist sie ja gläubig …“
Meine Fassungslosigkeit schwappte in Wut über: „Auch wenn sie nicht gläubig wäre, wäre sie trotzdem ein Mensch! Von welchem Glück redest du überhaupt? Und zum Teufel, wie lange willst du mir noch vom Gott erzählen? Du weißt – unsere Vorstellungen über Leben und Tod gehen völlig verschiedene Wege und werden sich in keiner Weise treffen. Du kannst über alles Mögliche mit mir reden, aber hör endlich auf, mich zu bekehren.“

Sie war beleidigt. Legte auf. Ich atmete durch.

Es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis sie erneut ihrer ehrwürdigen Lebensaufgabe nachging.

Erstaunlich, aber wir haben mittlerweile ein gutes Verhältnis. Ich weiß auch, dass sie meine Frau in ihr Herz geschlossen hat. Doch paradoxerweise wäre es meiner Schwester lieber und eine Genugtuung, wenn ich mich trennen würde. Logisch – würde ich anfangen, an Gott zu glauben, wäre ich gezwungen, diesen Schritt zu gehen (ihr versteht – Gott duldet nicht …), ich würde es sogar wollen.

Solange ich jedoch ungläubig bin, muss sie weiter machen und mit noch mehr Eifer sich dahinterknien, um meine Seele zu retten. Denn sie weiß – Vater unser sieht und beurteilt alles. Sie weiß – die Hoffnung auf den Lobpreis im Himmelreich darf sie nicht aufgeben.

Image by reenablack from Pixabay
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Autor:

Geboren bin ich 1954 in einem deutschen Dorf in Westsibirien (Gebiet Omsk), lebe seit 1992 in Deutschland. Nach 18 Jahren Bibliotheksarbeit in Omsk und 20 Jahren in der Stadtbücherei Lüdenscheid bin ich nun seit Dezember 2019 Rentnerin. Ich schreibe gern für meine Blogs und für die Homepage. Es gibt zwei Buchveröffentlichungen von mir: "In der sibirischen Kälte" und "Andersrum". Einige meiner Texte sind auch als eBooks im Internet frei zugänglich.

22 Kommentare zu „Ich bin es – das schwarze Schaf

  1. Liebe Rosa
    es ist ganz schrecklich, dass Menschen an einen Gott glauben, der Andersdenkende und anders Erlebende ausschliesst. Dadurch ist schon soviel Leid und Krieg entstanden, unzählige Familien und Freundesbeziehungen sind daran zerbrochen. Menschen – auch von Herzen an Gott glaubende – sind durch eine solch radikale Sichtweise zutiefst verletzt worden.
    Dass du mit deiner Schwester trotzdem einen guten Kontakt hast, spricht für dich. Offenbar kannst du sie so, wie sie ist akzeptieren und hast sie gern (nehme ich mal an) Das ist ja genau das, was der Glaubende von Gott erhoffen darf – dass er so wie er ist angenommen und geliebt ist.
    In dem Sinne bist du ihr gar ein Vorbild in Sachen Gottesliebe. Hoffentlich merkt sie es.
    Alles Liebe und Gute, dir und deiner Frau
    Brig

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    1. Liebe Brig,
      danke für Deine Worte!
      meine Schwester weiß, dass wir zwei, obwohl lesbisch, obwohl ungläubig, gute Menschen sind. Deswegen will sie uns auch im Himmel haben. Da kommen wir aber nicht hin, wenn wir bis zum bitteren Ende Gott leugnen … Also fehlt doch nur diese eine „Kleinigkeit“!
      Ist das nicht absurd? Eine höhere Macht soll von uns Menschen verlangen, sie zu verehren und anzubeten – nur dann sollen wir für das ewige Leben tauglich sein. Ob wir davor gesündigt oder gar gemordet haben, spielt keine Rolle. Allein diese Überlegung reicht mir schon, um zu wissen, dass es so einen Gott nicht geben kann, und wenn es ihn gibt, dann ist es kein Gott, sondern ein Diktator.
      Also, ich kann nur bei meiner Einstellung bleiben: Es gibt keinen Richter über uns, wir müssen selbst zusehen, dass wir aus unserem Leben etwas machen, wir sind für uns selbst verantwortlich. 😊
      Herzliche Grüße
      Rosa

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  2. Liebe Rosa,

    aus eigenem Erleben weiß ich, welch´ ruinöse Wirkung religiöse Eiferer in Familien haben können. Schaut man genauer hin, so entpuppt sich dieses, ach, so gottesfürchtige und gottgefällige Leben nicht selten als ein vollkommen menschliches mit etlichen Schwächen. Du weißt, ich bin Agnostikerin, aber der festen Überzeugung, dass gerade ein allmächtiger Gott die irdische Vielfalt beabsichtigt hätte. Wenn nicht, hätte er sie nicht geschaffen! Gott erlaubt schließlich keine Fehler, oder?
    Der Normalitätsbegriff ist ein künstlicher, menschgemachter Maßstab, der nur in Prozenten denkt. Gottes Wort, die Bibel (die in unzähligen Variationen – jede mit einem Alleingültigkeitssiegel – auf unserer Erde konkurrieren), wurde von Menschen niedergeschrieben und mit den Wertvorstellungen einer Zeit verknüpft, die noch ‚engstirniger‘ als die der Gegenwart waren.

    Für den Familienfrieden solltet ihr Schwestern vielleicht ein Abkommen treffen, dass nachdrücklich das Thema Glauben und Sexualität (ohnehin höchst privates Terrain) in sämtlichen Gespräch ausklammert und bei Zuwiderhandlung mit Ignoranz bestraft wird. Mit Menschen im Missionsmodus kann man nicht diskutieren, man kann sich höchstens ärgern (sehr ungesund).
    Viel wichtiger scheint es, und genau das wünsche ich Dir von Herzen, dass es Dir gelingen möge, den schmerzenden Stachel des Minderwertigkeits- oder Schuldgefühls aus dem eigenen Fleisch zu ziehen, damit andere nicht mehr soviel Macht über Dich haben und Du ‚einen echten Frieden’ mit Deiner Familiensituation (Vergangenheit und Gegenwart) machen kannst und eine innere Heilung beginnen kann. Du darfst Dich SELBST nicht mehr als das schwarze Schaf sehen!

    Die besten Wünsche für Dich und Deine Frau,
    Heather

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    1. Liebe Heather,
      dem kann ich nur zustimmen: Gott ist von Menschen gemacht und mit allerlei Fähigkeiten und Macht ausgestattet worden. In Wirklichkeit kann er überhaupt nichts ausrichten (weil es ihn nicht gibt 😃). Ich weiß nicht, was für ein Wesen meiner Schwester eines Nachts erschienen ist (davon hat sie selbst erzählt), kann mir gut vorstellen, dass sie etwas Außergewöhnliches geträumt hat. Gott war es jedenfalls nicht. Ist ja auch egal. Soll sie glauben, was sie will.
      Du hast recht, wir müssten eine Vereinbarung treffen. Aber ob sie sich daran hält?
      Was meine Familiensituation und einige Familienmitglieder betrifft, so bin ich eigentlich schon lange über ihre Ablehnung hinweg. Auch darüber, dass sie mich als Lügnerin sehen. Sollen sie! Ich finde es zwar schade, dass sie den Kontakt für immer abgebrochen haben, aber sie müssen selbst wissen, was sie tun. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. 😊
      Danke Dir für Deine lieben Wünsche 💗
      Rosa

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  3. Für mich bist du weiß, du hast auf deinem weißen „Fell“ einen goldenen Schimmer, hellblaue, kleine Pünktchen, rosige, winzige Herzchen und eine Ausstrahlung, eine innere Kraft, die selten ist. Positiv selten.
    Bleib so, liebe Rosa, und bleib glücklich mit deiner Daggi.
    Christel

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  4. Jetzt verstehe ich dich besser ! Glauben ist Fiktion und wenn man so übel angefeindet wird; alle Religionen sind Erfindungen; wenn man sich anthropologisches Wissen darüber aneignet, wie denn all die Götter, etc. entstanden sind, der Gott aus der Bibel von noch älteren Märchen abgekupfert wurde (aus verschiedensten Quellen zusammengeklaut würde es besser beschreiben), löst sich schnell jeder Irrglauben in seine auch nur allzu menschlichen Bestandteile auf. Jeder soll glauben was er will, aber „Bekehrungen“ von Andersdenkenden, das geht gar nicht.

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  5. Wenn der ganze Aktionismus wenigstens aus echter Zuneigung wäre. Aber wie es scheint, ist der ganze „Bekehrungs-Wunsch“ primär angstmotiviert. Böse formuliert: Wie kannst Du als schwarzes Schaf ihre schöne weiße Herde in Verruf bringen. Echte Liebe macht ein Angebot. So wie Gott das Angebot macht, dem „Jammertal“ auf Erden zu entrinnen in ein Paradies. (Die Prüfung wäre dann eine Art „Aufnahmeprüfung“. Ich persönlich empfinde allerdings die Erde nicht als Jammertal, und Luzifer ist der „erste“ Engel Gottes, übersetzt der „Lichtbringer“…)
    Der Versuch zu bekehren hat also noch nichtmal etwas mit den zehn Geboten zu tun. Das erste heißt schließlich: „Liebe Gott und Deinen nächsten wie Dich selbst.“ Und nicht: „Strafe Deinen Nächsten und Dich selbst, so wie Gott es tun wird.“ Mir anderen Worten: Bekehren ist der Versuch zu sagen: „So wie du lebst und handelst ist falsch. Ich kann Dir sagen, wie es richtig geht.“ Interessant ist dabei nur, dass derjenige, der bekehrt, sich damit mit Gott auf eine Stufe stellt und für ihn spricht. Ist Gott so unmündig, dass jemand für ihn sprechen muss? (Homosexualität gibt es auch in der Tierwelt. Hat Gott sich da auch vertan? Oder hat Noa da nicht genau genug hingeschaut?)

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    1. Doch, ich denke schon, dass meine Schwester mich und auch meine Frau gern hat. Sie möchte, dass wir auch in den Himmel kommen, zugleich aber fühlt sie sich verpflichtet, uns den Glauben beizubringen. Diese Pflicht (oder die Berufung von Gott höchstpersönlich) lässt ihr, wie sie meint, nur eine Wahl – uns immer wieder daran zu erinnern, dass wir ohne Gott verloren sind. Oder so. 😉 Sie hat sich ihre eigene und einzige Wahrheit geschaffen und davon rückt sie kein Stück ab. Und sie hat es wahrlich nicht leicht, wir zwei sind ja nicht die einzigen, es gibt da noch ihre Kinder und Enkelkinder. 😊

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      1. Bitte verzeih. Ich wollte mit meiner „bösen“ Formulierung nicht die Zuneigung Deiner Schwester in Frage stellen, sondern die Angst etwas mehr beleuchten. Mit ihrem Wunsch, Dir zum „rechten Glauben“ zu verhelfen, zeigt sie ja auch ihre Zuneigung. Aber ich denke, alles, was es gibt, hat auch seinen Sinn – auch in Gottes Plan. Und so glaube ich, auch „schwarze Schafe“ haben ihren Sinn (auch wenn ich den bei Schafen jetzt nicht kenne 😉).
        Vielleicht kann ich meinen Gedanken an „schwarzen“ (dunklen) Birkenfaltern erklären: Normalerweise sind Birkenfalter weiß, aber etwa 10% sind dunkel und werden von Fressfeinden auf den weißen Birken schnell entdeckt. Nur in Gebieten mit starker Luftverschmutzung, wo die Birken durch die Luftverschmutzung dunkel werden, sind plötzlich nur noch 10% der Birkenfalter weiß. Gott hat sich dabei vermutlich was gedacht…

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      2. Deinen Gedanken kann ich gut folgen, auch wenn ich „ungläubig“ bin. Ein schönes Beispiel – das mit den Birkenfaltern. 😊 Und du musst dich nicht entschuldigen, als böse habe ich dein Kommentar auch nicht aufgefasst.
        Liebe Grüße
        Rosa

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      3. „Ungläubig“ bin ich auch, im Sinne irgendeiner Kirche oder sonstigen religiösen Institution. Aber da ich mich mit einigen Religionen beschäftigt habe, kann ich mit den diversen Konzepten durchaus umgehen. Ich habe mir halt mein eigenes Bild der Welt zusammengebaut, auch im spirituellen Sinn. Der Begriff Pantheismus beschreibt es für mich noch am ehesten.
        Für mich ist wichtig, dass jeder mit seiner Welt glücklich und zufrieden sein kann. Ob er/sie es dann auch wird, ist eine andere Frage. Nur mit der Übergriffigkeit im Sinne von „Du musst …“ habe so ein bisschen Mühe.
        👍🍀🤗

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      4. Hallo Ankor Danz!
        Zugegeben, ich musste erst nachschlagen, was Pantheismus bedeutet. Vielleicht bin ich ebenso eine Pantheistin 😉, denn für mich sind die Welt, das Leben, die Vielfalt der Lebewesen einem Wunder gleich, bloß nicht von einem Gott geschaffen. Keiner wird jemals dahinter kommen, wie das alles entstehen konnte. Schlimm nur, dass das Geschöpf Mensch so unvollkommen ist. Wir hätten alle gemeinsam einen schönen Planet haben können, stattdessen zerstören wir ihn und vernichten letztendlich uns selbst. Das ist unendlich traurig …
        Herzliche Grüße
        Rosa

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      5. Liebe Rosa,
        vielen Dank, dass Du Dir die Mühe machst, extra nachzuschlagen. Für mich ist die Bezeichnung „Gott“ am Ende nichts anderes als ein anderer Name die Natur, die Welt bzw. das gesamte Universum. (Nach dem christlichen Glauben ist Gott allmächtig – damit ist er/sie/… einfach alles was ist, rein logisch betrachtet.) Der Mensch hat mit dieser Vorstellung bereits einen sehr wichtigen Schritt in Richtung Erkenntnis gemacht. Aber der Mensch überschätzt sich maßlos in der Vorstellung, er könne „Gottes Willen“ auslegen und anderen erklären, was gut und richtig sei, und was nicht. Für mich ist das einzig existierende Ideal die Welt, so wie sie ist, mit allem Wahnsinn und aller Zerstörung, die wir erleben. Schließlich ist das auch alles „Gott“, sonst wäre er nicht allmächtig.
        Und wenn man das Leid in der Welt in einem größeren Zusammenhang betrachtet, ist es auch wieder notwendig, damit wir uns weiter entwickeln. In der Angst vor dem Tod suchen und finden wir immer wieder neue Wege, wie das Leben weiter gehen kann. Die Natur („Gott“?!) hat uns erschaffen. Und sie wird einen Weg finden bzw. weisen, in dem das Leben weitergeht – damit auch unseres. (Bei genauer Betrachtung sind einige mögliche Richtungen bereits deutlich erkennbar.) Das Problem ist nur, dass wir immer von uns jeweils als Individuum ausgehen. Es ist unsere Suche nach Sinn, Sinn des Lebens und auch Sinn des Todes. Aber wir können die tiefere Verwurzelung des individuellen Sinns nicht erkennen, weil wir meist noch nicht genügend überschauen und verstehen können. Dann brauchen wir eine „religio“, übersetzt eine „Rückbindung“, an etwas, das zwar nicht verstehbar ist, aber immer für uns da ist – etwas, was uns Sinn gibt, damit wir das Leben ertragen können, in den vielen Momenten, in denen wir nicht in Extase sind.
        Und so suchen wir weiter nach dem „Anfang“ und auch nach dem „Ende“. Und das ist in Ordnung, denke ich. Nur sollten wir dabei versuchen, uns selbst und anderen nicht noch mehr weh zu tun, als es die Natur eh schon tut.
        Das ist zumindest mein Glaube…
        👍🙏🤗

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      6. Danke! Ich sage einfach Ja zu Deinen Worten. Es ist das, was ich annehmen kann, womit ich leben kann, was mir nahe liegt. Wir suchen weiter, komplett verirren können wir uns nicht mehr, dafür haben wir reichlich erlebt und gesehen. Ich denke, das betrifft Dich ebenso wie mich, und ich freue mich, Dich hier weiter kennenzulernen. 💕

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  6. Beim Lesen dachte ich, wie befreiend und einengend zugleich so ein tief verwurzelter und derartig gelebter Glaube wohl ist. Auf der einen Seite ist da die Möglichkeit, sich im Glauben sicher und getragen zu fühlen, alles hat seine Bestimmung und Richtigkeit. Auf der anderen Seite kann man offenbar nicht mal ins Theater gehen und dieses Einengende bedeutet ja letztendlich auch, dass man sein ganzes Leben auf etwas ausrichtet (wenn man es so macht wie deine Schwester) und nicht im Geringsten frei ist.
    Ich konnte mich beim Lesen gut in deine Schwester hineinversetzen – mit ihrer Weltsicht und ihrem Glauben betrachtet, ist das schon alles auch nachvollziehbar. Ich verstehe auch, dass man, in der unumkippbaren Überzeugung, an das Richtige zu glauben, meint, andere Menschen davon überzeugen zu müssen – auch für deren Wohl und vielleicht auch ein wenig für den Bestand der eigenen Weltordnung. Das gibt es ja nicht nur im religiösen Kontext. Es mag nicht richtig oder passend sein, aber doch eben aus der anderen Sicht nachvollziehbar.
    Beeindruckend und schön fand ich beim Lesen, dass du die Haltung deiner Schwester als ihre annimmst und in deiner eigenen (natürlich) ebenso vollkommen klar bleibst und dass ihr so oder so ein gutes Verhältnis zueinander habt.

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    1. Da gebe ich dir recht, ich kann mich ebenso gut in meine Schwester hineinversetzen und verstehen, was sie antreibt. Vielleicht deswegen das gute Verhältnis. Sie führt ja nichts Böses im Schild. Hoffe ich zumindest. 😊
      Danke dir für deinen Kommentar! 💕

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