Meine Schwester hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Mit einem Besteckmesser. Da sie stark zitternde Hände hat und das Messer auch noch zu stumpf war, schaffte sie es nicht, die Vene zu durchtrennen. Also hat sie weiter mit dem Schrankschlüssel herumgebohrt, doch auch ohne Erfolg. So verging die Nacht. Morgens hat sie die Verletzung verstecken wollen, da sie beabsichtigte, in der darauffolgenden Nacht weiterzumachen. Aber die Wunde wurde entdeckt, musste versorgt und sogar genäht werden.
Ich bin im Schockzustand und möchte mir gar nicht vorstellen, wie es ihr nun geht.
Die Vorgeschichte
Aneta ist elf Jahre älter als ich und zwischen uns besteht eine besondere schwesterliche Verbindung. Sie leidet schon seit vielen Jahren unter schwerer manisch-depressiver Erkrankung. In diesem Frühjahr ging sie ins Altenheim, und zwar nach Berlin (aus Dortmund). Dort wohnt ihr ältester Sohn, der auch den Umzug organisiert hat. Im Heim gefällt es Aneta ganz gut, sie bekam ein geräumiges Einzelzimmer; das Personal, erzählte sie, sei sehr freundlich und hilfsbereit. Das Essen sei zwar miserabel, aber sonst wäre sie zufrieden. Ich freute mich für sie. Endlich unter Aufsicht könnte sie zur Ruhe kommen und vielleicht sogar das Leben etwas genießen. Dachte ich. Hoffte ich. Wenn da nicht die verdammte Depression wäre! Die ist leider nicht in Dortmund geblieben, sondern mitgegangen. Seit Wochen schon hält sie die 80-jährige im eisernen Griff und im tiefsten Tief. So kam sie vor ein paar Tage ins Krankenhaus, in die Psychiatrie. Genutzt hat es bisher nichts. Egal, wie sehr sie bat und bettelte, ihr etwas gegen die immer wieder aufkeimende Panik zu geben, man ging darauf nicht ein. Dreimal am Tag bekommt sie 0,5 (!) mg Tavor. Am ersten Tag spürte sie eine gewisse Erleichterung, die aber schnell verschwand und sich auch nicht wieder einstellte. Heute Nacht entschied sie sich, dass sie so nicht weiter leben will …
Der Psychiater, der Aneta heute Morgen zum Chirurgen begleitete, versicherte ihr, dass er sie im Laufe des Tages besuchen wird, um mit ihr zu sprechen. Vorhin sagte meine Schwester am Telefon, sie habe den ganzen Tag gewartet, doch er sei nicht gekommen … Aber sie bekam eine höhere Dosis Tavor und es geht ihr ein wenig besser.
Ihre Verzweiflung ist groß. Meine ebenso, denn ich weiß nicht, wie ich ihr helfen kann. Ich riet ihr, nachdem sie ihre Schlaftablette bekommt, auch gleich zu Bett zu gehen. Vielleicht schläft sie durch und morgen sieht die Welt dann doch etwas besser aus?


Scheiße, liebe Rosa – ich schicke euch und dir unendlich viel Kraft und 💖💖💖 … Es tut mir wirklich sehr, sehr leid. 😿
VVN
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Danke! 💕
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Ausnahmsweise kann ich’s nichtmal „Gelesen“-liken, ich kann nur in Gedanken dolle bei euch sein. 🐱
VVN
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❤️ Das verstehe ich.
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Hej- Hab soeben erneut an euch gedacht (= auf dem Weg nach Berlin)… Alles, alles Liebe auch heute! 💖
VVN
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Kaum konnte ich weiterlesen nach den Anfangssätzen. –
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❤️
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So wie Sonja ging es mir auch, liebe Rosa
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💕
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Hast du die Chance, bald selber zu Aneta hinzufahren? 😮
VVN
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Ja, das haben wir vor. Wir fahren bald für zwei Wochen nach Dresden und auf dem Rückweg machen wir einen Abstecher nach Berlin. Ich hoffe, Aneta ist dann wieder im Heim …
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Ich hoffe mit! 😮🌸
VVN
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Tut mir sehr leid…
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Ich dachte immer, gegen die Panik gibt es gute Antidepressiva, da gibt es doch einige, die gut helfen, dauert halt zwei Wochen.
Ich glaub, machen kannst Du da nicht sehr viel. Außer, sie zu besuchen. Es tut mir leid, wie schlecht es ihr geht und wie hilflos Dich das macht. Wünsche Dir auch viel Kraft und ihr neuen Lebenswillen! Alles Liebe Euch! 🍀
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Danke dir! 💕
Anetas Problem – trotz Antidepressiva hat sie immer wieder ihre Hoch‘s und Tief‘s. Gegen Panik gibt es natürlich Medikamente und die sollen nicht erst nach zwei Wochen wirken, sondern sofort, sonst sind sie ja zwecklos. Es muss nur eine höhere Dosis auf einmal sein. Das kenne ich aus eigenen Erfahrungen. So lange Aneta über ihre Tabletten selbst verfügte, konnte sie den Panikattacken auch entgegenwirken. Im Heim und jetzt im KH werden ihr die Medikamente gestellt, also ist sie machtlos. Und die Ärzte fahren ihre Linie, von der sie nicht abzubringen sind. Ihr Argument: „Sie werden abhängig“. Ist doch egal, wenn es hilft, dann soll sie abhängig werden – mit ihren 80 Jahren (wie soll sie denn leben, wenn sie den Tod sucht?) … Außerdem nahm sie dieses Tavor auch nur bei Bedarf, nicht dauernd.
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Okay, da bin ich wohl falsch informiert. Ich dachte immer, mit den richtigen Antidepressiva gehen die Panikattacken komplett weg für immer. Dauert halt nur 2 Wochen. Und klar, Tavor wirkt sofort. Auch klar, die Ärzte wollen vor Abhängigkeit schützen. Aber kann Euch auch verstehen, dass es Euch egal ist. Noch dazu, wenn Aneta die Tabletten immer verantwortungsbewusst eingenommen hat.
Übel, wieviel Macht die Ärzte dort haben, wo Deine Schwester doch vorher auch gut mit den Tabletten umgehen konnte. Ich hoffe, sie bekommt jetzt eine höhere Dosierung auf Dauer. Wenn sie ansonsten nicht leben will, dann doch lieber mit Tavor!
Alles Liebe Deiner Schwester und dass es ihr bald besser gehen möge! 🌞
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Ich wünsche deiner Schwester, dass sie ihre Eigenständigkeit wiederkriegt und trotzdem angemessene Hilfe bekommt. Hoffentlich war das nur ein letztes Tief, ein letzter Hilfeschrei, bevor sie herauskommt aus der Depression! Kraft!!!!
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Ich hoffe es! Danke dir. 💕
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Liebe Rosa,
ich lese und lese und lese … Und bin nun auch auf diesen Eintrag gestoßen.
Eine extrem aufwühlende Zeit, die Du durchlebt hast. Am schlimmsten ist wohl die Hilflosigkeit, wenn man als liebende Angehörige nicht weiß, wie man noch mehr unterstützen kann.
Jedenfalls macht es mich sehr betroffen, dass hilfreiche Medikamente zu niedrig dosiert werden oder gar verweigert werden. Bin fassungslos …
(Ich habe heute von meiner Schwester geträumt, in diesem Traum war sie krank, davon bin ich aufgewacht … erschrocken!)
Ganz liebe Grüße, C Stern
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Danke Dir, liebe C Stern!
Mittlerweile ist meine Schwester wieder im Heim, aber besonders gut geht es ihr nicht. Immer wieder erzählt sie mir von negativen Dingen, die da geschehen, auch sie betreffend. Im Grunde ist sie auch dort dem Willen und den Schikanen der Heimmitarbeiter ausgesetzt … Ausgeliefert.
Herzliche Grüße
Rosa
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