Was lange währt, wird gut? Zweimal verschoben wegen Krankheit des Arztes bzw. Fortbildung des Praxis-Teams, kam am 24. August der Termin bei dem neuen Arzt doch noch zustande. Ich weiß nicht, ob ich belustigt, verwundert oder entsetzt sein soll. Eigentlich bin ich alles …
Nach einer halben Stunde Wartezeit rief Herr Doktor mich höchstpersönlich auf, sprach sogar, wenn auch etwas unsicher, meinen Nachnamen richtig aus. Als ich an ihn herantrat, fragte er:
„Kommen Sie aus Russland oder aus der Ukraine? Wenn aus Russland, dann bitte in Raum 1, wenn aus der Ukraine – Raum 3.“
„??“
Ziemlich irritiert, antwortete ich, dass ich eine Deutsche sei.
„Aber aus Russland?“
Der Psychiater zeigte noch einmal auf die erste Tür, ging dann in den Raum 2. Als er nach einer Weile zu mir kam, legte er sofort, noch im Gehen, los.
„Ich bin ja Putin-Fan!“
Es folgte eine flammende Rede darüber, warum Putin die „Spezialoperation“ gestartet hat, wie er dazu von der Ukraine und den USA gezwungen wurde und was Deutschland alles falsch macht … also das übliche Programm der Putin-Versteher, wie aus dem Buche. Ich schaute ihn mit großen Augen an, war aber zu perplex, um richtig zu parieren, konnte nur, als sich eine Pause ergab, einwenden: „Sie brauchen mir das alles nicht zu erklären, ich bin kein Putin-Fan.“
„Sind Sie denn Selenskyj-Fan?“
„Nein, auch kein Selenskyj-Fan.“
„Aber Sie sind für den Frieden?“ (Wer ist denn nicht für den Frieden?)
Erst dann setzte sich der gute Mann hinter seinen Schreibtisch und fragte, was er denn für mich tun könne. Ich erklärte es ihm. Eigentlich wäre es richtig, sofort aufzustehen und die Praxis zu verlassen. Aber ich habe es nicht getan, das heißt jedoch nicht, dass ich diesen Arzt noch einmal aufsuchen werde. Zumal er an mir als Patientin wenig Interesse zeigte. Er pikte sich lediglich aus dem vorgelegten Krankenakten-Auszug ein paar Informationen heraus, ohne sich die Mühe zu machen, das Gesamtbild zu erfassen. Doch fand er es für angebracht, ein Medikament, dass ich schon Jahrelang nehme, abzusetzen und durch ein anderes zu ersetzen …
Fassungslos macht mich nicht nur seine politische Gesinnung an sich, sondern vielmehr die Tatsache, dass er sie aufgrund meiner Herkunft über mich ausgebreitet hat, nämlich weil ich eine Russlanddeutsche bin. Wäre ich eine, sagen wir mal so, „echte“ Deutsche, hätte er es sicherlich nicht gewagt. Rechnete er vielleicht damit, dass ich seine Ansichten teile? Wollte er mich provozieren? Und hätte ich ihm zugestimmt, was dann?
Ich frage mich auch, wie denn der Raum für ukrainische Patientinnen und Patienten aussieht? Womöglich mit russischer Propaganda und einem großen Putin-Porträt an der Wand ausgestattet? Oder gar – mit Folterinstrumenten?
PS: Um der möglichen Frage zuvorzukommen: Nein, der Arzt selbst ist kein Russlanddeutscher.


Unmöglich sowas. Da würde ich auch nicht mehr hin gehen. Was sollte denn das? Das geht gar nicht. Der soll unparteiisch den Patienten helfen und fertig. Ich bin entsetzt, dass es solch einen Arzt gibt.
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Er hat sogar gute Bewertungen im Netz, aber danach kann man heutzutage wirklich nicht gehen. Wie gesagt, teilt er wohl auch nicht allen PatientInnen seine Ansichten mit.
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Mich erinnert die Szene an einen alten Bilderwitz (?), bei dem sich herausstellte, dass der Arzt in Wirklichkeit Patient der psychiatrischen Abteilung war, sich nur einen Kittel gemopst hatte, um die Rolle zu mimen.
Vielleicht hättest du nach einer Legitimation fragen sollen, denn so richtig gesund kann ein Putin-Fan wohl kaum sein, oder? 😂
Der Lachsmiley soll nicht darüber hinweg täuschen, wie traurig und erbärmlich Doktorchens Auftritt tatsächlich war (und vermutlich auch künftig noch sein wird). So viele Pillen kann niemand schlucken, um den Typen kompetent erscheinen zu lassen!
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So schlagfertig war ich leider nicht. Meistens weiß man erst im Nachhinein, wie man am besten reagieren sollte, mir geht es jedenfalls so. Aber erbärmlich war es wirklich. Was hat er sich bloß dabei gedacht? (Rhetorische Frage).
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Auch mir fallen gute Retourkutschen erst viel, viel später ein! (Übrigens reiche ich noch ein „kompetent“ nach – das ging in der Eile im letzten Kommentar von mir verloren und gehört zwischen „Typen“ und „erscheinen“. So sorry!)
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Ich setze das verlorengegangene Wort gern an seinen Platz. 😊
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🤗!
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Was war das denn? Ganz abgesehen davon das Russland-Deutsche, Deutsche sind und keine Russen!
Wechsel bloß den Arzt. Der Kerl geht ja gar nicht 🫂
🌈😘😎
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Na ja, einige der Russlanddeutschen sind auch Putin-Fans, vielleicht dachte er – ich gehöre dazu. 🙄 Der Wechsel ist natürlich schwierig, aber was muss das muss. Werde mich erneut auf die Suche machen.
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Politik auch noch in der Arztpraxis, nicht sehr einladend.
LG Joe
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Ja, da hat sie definitiv nichts zu suchen.
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Ich glaube, ich wäre auch sprachlos geworden. Nicht nur, weil der Mann so viel Unsinn erzählt hatte, sondern weil wahrscheinlich ganz gern mit jemand darüber gestritten hätte, um noch mehr Argumente – ich nenne es geistigen Dünnschiss – zu platzieren.
Mit solch einem Gehirn gewaschenen Kopf kann man eh kein Für und Wider austauschen, weil sie ein übersteigertes Selbstvertrauen auf Basis von Manipulation aufgebaut haben. Putin verkauft seine Lügengeschichten zum wahren Grund seines Krieges so geschickt, dass alle, die an einen starken Mann glauben, die Lügenschichten schlucken.
Außerdem hatte Putin seit Jahren den damals verheerenden Stalinismus relativiert und neu bewerten lassen. Einen ähnlichen Umgang mit der Hitler-Geschichte schlägt auch die AfD vor. „Nachtigall ich hör dir trapsen“.
Was mich immer und immer wieder verwundert, ist die Tatsache, dass es noch so viele Menschen gibt, die belogen werden wollen und die geschluckten Lügen als „Klartext“ oder die „absolute Wahrheit“ in ihrem Kopf ablegen. Leider schützt Intelligenz auch nicht davor. Ich würde das unter Dummheit verbuchen, denn die, die Lügen schlucken und weiter verbreiten haben keinen wirklichen Nutzen davon. Putin wird seinen treu Glaubenden wohl kaum ein Stück von der Ukraine schenken wollen und auch so bekommen sie weder einen Orden noch eine Prämie dafür.
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Da bin ich ganz deiner Meinung! 👍💗
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Wow. WTF.
Ich weiß nicht, ob das Prozedere in Raum 3 mich jetzt interessiert, oder ob ich es lieber gar nicht so genau wissen will… Aber mein Kopfkino tickt anscheinend ähnlich wie deins 😂
(Behandlung durch den PJler oder frisch gebackenen Assistenzarzt, damit der Herr Doktor sich nicht mit “den Ukrainern” ™ abgeben muss? Behandlung erst in 4 Stunden? “Die Krankenkasse übernimmt die Behandlung erst, wenn Sie mir fünfmal russische Propagandamärchen vorgetanzt haben, jaha! Das ist faktisch korrekt!”? Aus Lautsprechern ertönt durchgehend die russische Nationalhymne und statt medizinischen Fachbüchern sind die Regale mit Literatur über “Großrussland” gepflastert und aufm Schreibtisch stehen Büsten von Stalin, Lenin und Co…?)
P.S.: die Medikationsänderung – wirst du das machen bzw. kannst du herausfinden/abschätzen, ob das für dich und dein Krankheitsbild tatsächlich sinnvoll ist? Zweitmeinung evtl.? Wenn a. “mal eben so” Langzeitmedikation verändert wird und b. von einem Arzt, von dem man sich nicht wirklich ernst genommen fühlt, wäre ich da ein bisschen vorsichtig tbh…
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Lieber Myokard, dein Kopfkino funktioniert ausgezeichnet – du könntest Filmszenarien schreiben, oder so … 😃
Was das neue Medikament betrifft, so habe ich es ausprobiert, aber keine Änderung, weder im positiven noch im negativen Sinne feststellen können, also – wieder abgesetzt. Das alte habe ich schon vor dem Arzt auf die Hälfte reduziert und komme so gut zurecht.
Danke dir und liebe Grüße
Rosa
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Das ist schon der Hammer – 2 extra Räume (wahrscheinlich haben sich da die Patienten schon mal die Köpfe eingeschlagen) DIE sind ganz erfolgreich gewesen mit dem Spaltungskonzept. Aber dass es auch unter deutschen Ärzten solche gibt, die sich mit den nachgewiesenen Hintergründen beschäftigt haben und sie verstanden haben, erfreut mich doch.
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„Aber dass es auch unter deutschen Ärzten solche gibt, die sich mit den nachgewiesenen Hintergründen beschäftigt haben und sie verstanden haben, erfreut mich doch.“ Was erfreut dich denn daran, Melina? Hintergründe verstanden? Gar nichts hat er verstanden, ebenso wie du nichts an diesen Hintergründen verstehst. Du versuchst bloß, sie an deine Ansichten anzupassen. Aber ich bin einmal so frech und behaupte, dass diese Ansichten falsch sind, demzufolge irrst du dich auch in den Hintergründen. Ich würde dir gern hier all‘ die Aussagen und Meinungen der Russen (und auch der Ukrainer) anfügen, die gut im Bilde sind, was da vor sich ging und geht, doch das ist leider nicht möglich. Aber vielleicht hättest du es dann verstanden? … Obwohl – du bist in deiner Meinung so festgefahren, dass sie nichts mehr zerstören kann. Auch die Erfahrungen der Menschen, die unter Putins Regime leben und leiden.
Nachgewiesene Hintergründe? Von wem „nachgewiesen“? Von den Möchtegernexperten? Ich kann nur meinen Rat wiederholen, Melina – hör dir einmal die wahren Experten an, diejenigen, deren Heimat Russland heißt, diejenigen, die sich WIRKLICH auskennen. Nur einmal!
„DIE sind ganz erfolgreich …“ Wer sind DIE? Ach, ich verstehe, wen du meinst. Nur glaube ich nicht, dass es DIE gibt, wo auch immer die über uns sitzen sollen. Aber ohne DIE zerbröckelt dein Weltbild – das kann ich auch verstehen.
Und zu deiner Vermutung, die Patienten hätten sich womöglich schon mal die Köpfe eingeschlagen, sage ich jetzt gar nichts, sonst wird es ganz ungemütlich.
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Eigentlich kann diese Begegnung gar nicht „echt“ sein, wirkt völlig abartig, mitten in D, mitten in einer Arztpraxis, wo es um den Themenkomplex der Seele geht!
Der Mann ist Psychiater und schockiert mit solch einer Haltung – geht’s noch?
Deine reale Begegnung macht mich fassungslos!!!
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Manchmal denke ich, er ist einfach dumm (aber kann ein Facharzt dumm sein?). Und dann wiederum, dass er mich provozieren wollte. Immerhin hat er nach meinem Einwand das Thema beendet.
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