Wir sind wieder zurück aus Berlin, wo wir meine Schwester im Krankenhaus besucht haben. Die Atmosphäre in der Psychiatrie war sehr bedrückend. Weil in der offenen Station kein Bett frei war, befindet sich Aneta in der geschlossenen, und zurzeit ist da auch noch Corona ausgebrochen. Das heißt: Die Patientinnen und Patienten dürfen ihre Zimmer nicht verlassen, werden, sobald sie hinausgehen, wieder zurückgescheucht, und müssen Masken tragen. Also, doppelt und dreifach eingesperrt. Aber wir konnten sie besuchen, wenn auch mit Mundschutz, und sie hat sich sehr darüber gefreut.
Im spärlich eingerichteten und engen Zimmer (nicht einmal ein Fernseher ist vorhanden), das kaum Platz für eine Person bietet, befindet Aneta sich nicht allein, doch leider ist die andere Patientin nur schwer zu ertragen. Sie redet zeitweise ununterbrochen mit sich selbst oder stellt Fragen, sucht irgendwelche verloren gegangenen Sachen. Das ist eine zusätzliche Belastung für meine Schwester. Aber manchmal hat sie ihre lichten Momente, dann kann Aneta sich mit ihr unterhalten. Davor hatte sie eine alte Frau als Zimmernachbarin, die die ganze Nacht schrie … also, Ruhe und Schlaf – Fehlanzeige.
Meine Schwester fühlt sich in der Klinik einsam und unverstanden. Ihre Klagen und Beschwerden werden meistens ignoriert. Es laufen in der Station verrückte Männer herum, dringen in die Zimmer ein und bedrohen die Patientinnen. Einmal bekam ich so etwas live mit, als ich gerade mit Aneta telefoniert hatte. Sie schaltet ja immer den Lautsprecher ein und plötzlich vernahm ich im Hintergrund laute Stimmen zweier Männer. Einer forderte Anetas Mitpatientin auf: „Du bist meine Frau und kommst jetzt mit mir!“ Der andere: „Nein, das ist meine Frau! …“ Aneta legte ihr Handy beiseite und schrie die Eindringlinge an: „Raus hier, aber sofort!“ Ich hörte Gerangel und Gepolter. Nachher erzählte sie, sie habe die beiden hinaus geschubst und einem eine reingehauen, worauf er sie getreten hat. „Jetzt tut mir mein Knie weh.“ Auf meine Frage, ob sie das gemeldet habe, sagte sie nur: „Die Typen kommen manchmal zweimal am Tag rein. Das interessiert keinen.“ Ob das wirklich so stimmt, oder Anetas gestörte Wahrnehmung ist, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, doch ich neige dazu, ihr zu glauben. Heute hat sie mir sogar erzählt, dass sie sich wieder mit einem Eindringling geprügelt hatte, kam aber nicht gegen ihn an, und er hat es geschafft, sie aus dem Zimmer zu zerren. Sie rief um Hilfe und erst dann kam das Personal angerannt und brachte den Mann weg in sein eigenes Zimmer.
Das alles bringt mir so einige unerfreuliche Gedanken ein, was unser Gesundheitssystem betrifft. Wie sollen in solch einer Umgebung psychisch Kranke heilen? Ich würde mir für sie eine vollkommen andere Atmosphäre vorstellen und wünschen, eine achtsame, herzliche und vor allem menschenwürdige. Oder? …
Dennoch scheint es meiner Schwester psychisch besser zu gehen. Sie wirkt lebendiger, zeigt Emotionen. Liegt es wirklich am neuen Medikament? Das wäre ja fast einem Wunder gleich. Vier Behandlungen hat sie nun hinter sich – von insgesamt zwölf (voraussichtlich).
Am Samstag konnten wir glücklicherweise Aneta für ein paar Stunden aus der Klinik nehmen und zu ihrem Sohn fahren. So bekam sie wenigstens etwas Ablenkung und – auch wichtig – ihre Wäsche gewaschen.
Beim Abschied sagte sie wieder zu mir: „Wie schön, dass ich dich habe. Danke, dass ihr zwei den weiten Weg auf euch genommen habt, um mich zu besuchen.“
Das Treffen mit uns hat ihr sichtlich gutgetan, entgegen der Befürchtung ihres Sohnes, sie würde, nachdem wir weg sind, doppelt depressiv sein. Überhaupt meinte er, es wäre der unpassende Moment für einen Besuch, solange sie in der Klinik ist.
Dieser Logik nach darf man depressiven Menschen keine Freude machen, da sie, nachdem die Freude vorbei ist, noch depressiver sein würden (?) Das ist definitiv falsch und ich muss sicher nicht erklären, warum ich so denke.



Liebe Rosa,
ich finde es toll das du deine Schwester besucht hast und freue mich, das es ihr auch etwas gegeben hat.
Wenn ich meine Mutter im Pflegeheim besucht habe, habe ich mich oft mit den Worten verabschiedet „Die Waschmaschine ist jetzt durchgelaufen.“
Denn oft hatte ich sie „eine Waschmaschinenlänge“ in ihrer Wohnküche besucht.
Und so regte sie sich dann nicht darüber auf, das ich nach Hause fuhr und sie nicht mitnahm.
In Bezug auf die Unterbringung deiner Schwester, hatte ich mich einst bei den Besuchen bei meiner Schwägerin in einer geschlossenen Abteilung gefragt, ob es für die Frauen nicht besser wäre, von den Männern getrennt untergebracht zu werden.
Bei lag sogar mal ein Mann im Bett und als sie ihn aufforderte zu gehen, gab es eine Rangelei, bei der er ihr sogar einen Zahn ausgeschlagen hat.
(was wirklich passiert ist, weil Schnorrer darüber informiert worden ist).
Ich wünsche dir einen schönen Neujahrstag.
Trude
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Danke, liebe Trude!
Ja, schlimmer als in einer geschlossenen Psychiatrie kann es wohl in keinem Krankenhaus sein. Das Personal ist abgehärtet und gleichgültig gegenüber den Patienten. Es kümmert keinen sonderlich, was sie durchmachen und wie es ihnen geht. Leider.
Herzliche Grüße und alles Gute im neuen Jahr
Rosa
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Hoffentlich kann sie bald wieder raus aus dieser Einrichtug, liebe Rosa!
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Das ist meine Hoffnung, ja. Ich weiß nicht, wie Aneta das aushält, ich wäre da schon durchgedreht.
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Ich auch, wenn ich lese, was du darüber schreibst, liebe Rosa!
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Wenn man euch beide so glücklich nebeneinander sieht, dann berührt das auch mein Herz. So eine Schwester wie dich hätt ich mir auch gewünscht und ich bin sicher, deine Schwester hätte im umgekehrten Fall ebenso gehandelt wie du ..
Ich wünsch dir ein frohes neues Jahr <3
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Das stimmt, da bin ich mir sicher. Sie hat auch schon viel für mich getan. 😊
Dir, lieber Sven, wünsche ich ebenso ein erfolgreiches Jahr. 👍💕
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Liebe Rosa,
es tut mir sehr leid, dass sich Deine Schwester in so einer Verfassung befindet. Und erst recht, was sie Schlimmes erleben muss an Übergriffen.
Ich habe im Zusammenhang mit meinem Reha-Aufenthalt auch einen Menschen getroffen, der in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses war. Die Schilderungen allein reichen aus, dass es selbst einem Zuhörer schlecht geht.
Ich hoffe, dass ganz bald ein Durchbruch bei der Medikamentensuche gegeben ist!!!
Wunderbar, dass Du für Deine Schwester dabist, es hilft jeder einzelne Lichtstrahl – und jede menschliche Wärme, die ein kranker Mensch spüren kann.
Herzensgrüße, C Stern
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Liebe C Stern,
Du vermutest richtig – das Ganze nimmt mich sehr mit und ich bin selbst schon der Verzweiflung nahe. Daher ist es doppelt so schwer, tröstende und aufbauende Worte für Aneta zu finden, aber ich tue mein Bestes.
Danke Dir für Deinen Zuspruch!
Herzliche Grüße
Rosa
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Hallo, das sind ja grauenhafte Zustände. Ich habe dreißig Jahre in der Psychiatrie gearbeitet und habe so etwas nicht erlebt. Ist auch gut so.
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