Der Februar ist für dieses Jahr restlos vorbei. Erledigt. Verlebt. Aber war gestern nicht erst Anfang Januar? … Die Zeit rast und je älter wir werden, desto schneller ist sie, wie es scheint. Aber wem erzähle ich das? Obwohl – die Jüngeren empfinden das vielleicht nicht so extrem. Sie sind mit der Gestaltung ihres Lebens, mit Familiengründung beschäftigt, haben üblicherweise viel mehr zu tun als die Älteren, und trotzdem läuft ihre Zeit im „normalen“ Tempo. Weil sie (gefühlsmäßig) noch jede Menge davon vor sich haben?
Manchmal kommt es mir vor, als würde die Zeit mich sogar überholen, und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr hinterherzueilen. Die Gewissheit, dass sie mit jedem Tag abnimmt, schleicht sich hinzu, und alles zusammen wirkt beunruhigend.
Wenn frau 70 (fast 71 😃) ist, kommen solche Überlegungen öfter in den Sinn, als einer lieb ist. (Ebenso wie die Gedanken an den Sensemann … warum „gibt“ es eigentlich keine Sensefrau?). Ich will damit nicht sagen, dass ich mich alt fühle. Nein, nicht wirklich. Okay, vielleicht ein bisschen. Etwas müder, nicht mehr so fit, wie mit 38, und mit weniger Tatendrang, aber sonst wie immer – so wie ich eben bin … doch – ich korrigiere: fast wie immer. 😉
Meine Erfahrungen, positive als auch negative, sowie mein Umfeld und die Lebensumstände haben mich geprägt und mir meine Persönlichkeit gegeben. Dazu gehören leider auch viele, aber ganz viele Fehler. Wenn ich zurückblicke und sie mir genauer ansehe, dann wird mir oft übel und ich schäme mich zutiefst. Wie konnte ich nur so dämlich sein – damals, und ein andermal, und hier, und dort, und überhaupt? Gelernt hatte ich daraus bedauerlicherweise nicht immer; im Wiederholen der Fehltritte, bloß in anderen Variationen, war ich ziemlich gut. Wie dem auch sei, es war einmal – es wird nicht mehr. Also, bin ich nicht bloß älter geworden, sondern habe an Weisheit und Vernunft doch etwas dazu gewonnen? 😊
Das, was hinter mir liegt, nimmt weiterhin an Fülle und Hülle zu; was vor mir ist, fließt unaufhaltsam hinein, versickert im Sand der Vergangenheit und wird stets weniger, dünner, kürzer. Mein persönlicher Horizont rückt immer näher heran. Wie viele Jahre, Monate, Tage, Stunden bleiben noch für mein Ich? Sind sie schon genau abgemessen? Ach, ich will es gar nicht wissen!
Nun springen meine Gedanken zu dem anderen, von mir oben kurz angeschnittenen, Thema, zu dem Tod. Auch wenn ich meine ganz eigene Vorstellung davon und keine Angst davor habe, verspüre ich keine Sehnsucht danach. Sterben ist für mich noch keine gewünschte Option. Vielleicht würde sich das ändern, wenn ich unheilbar krank und hilflos wäre und/oder im Heim leben müsste. (Womöglich steht mir das alles ja noch bevor). Denn dann würde ich wirklich lieber den Tod vorziehen. Da brauche ich bloß an meine Schwester zu denken und wie sie im Heim leidet und kaum Hilfe bekommt, jedenfalls nicht die, die sie dringend braucht. Aber vielleicht würde ich gerade dann mehr am Leben hängen als hier und jetzt? Wer weiß?
Der neue Monat hat begonnen, und frau sollte eigentlich erwartungsvoll dem nahenden Frühling entgegenschauen. Doch ich bin an diesem ersten März-Tag wohl eher zum Grübeln aufgelegt. Darüber, was gerade in der Welt und in unserem Land alles an Unerfreulichem geschieht, möchte ich erst gar nicht nachdenken.

Bild von ElisaRiva / Pixabay


die kleine Zeichnung unten passt!
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Ja, sehr stimmig! 😃
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Ich kann mich noch erinnern an Schulzeiten, wo der Nachmittag sich langzog wie Kaugummi. Heute ist der Nachmittag so schnell vorbei, dass man das Gefühl hat, zu nichts zu kommen. Und es bleibt wirklich immer was liegen. Richtig fertig wird man im Alter nie mit dem, was man sich vorgenommen hat. So jedenfalls mein Eindruck. Manche sagen, das läge an der Eintönigkeit im Alter, aber in der Jugend war mein Leben viel eintöniger. Heute ist mein Leben bunt, allein das Internet bringt immer Neues und neue Anforderungen. An der Eintönigkeit kanns also nicht liegen, wie vorschnelle Psychologen sich in die Tasche lügen. Es liegt wohl wirklich an der Relativität der Zeit. Ich glaube Einstein jedenfalls mehr als den Psychologen, die oft selbst eine Therapie brauchen. LG Sven <3
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Jedenfalls ist das Thema „Zeit“ unerschöpflich …
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Nicht böse sein, ich bin ja Phantast und erschaffe mir meine eigenen Theorien auch wenns manchen etwas abstrus vorkommt. Die Zeit gehört wohl zu den größten Rätseln und Mysterien, die es gibt. Und wenn es einmal keine Zeit mehr gibt, wird es sie dann überhaupt gegeben haben? Ohne Zeit ist alles nicht mehr wahr. Oder doch? Gibt es das ewige Buch des Lebens, das alles notiert und das am Ende allein bleibt? Ein poetischer Zugang zum Phänomen ‚Zeit‘ wäre nicht verkehrt, denn mit der Logik allein kommen wir kleinen Menschen nicht weiter .. <3
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„Die Zeit gehört wohl zu den größten Rätseln und Mysterien, die es gibt“.
Da hast du wohl recht … Warum soll ich dir böse sein? 😊
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Ich habe vor einiger Zeit mit meinem alten Hausarzt über dieses Phänomen gesprochen, und er hatte eine einleuchtende Erklärung für das Gefühl, dass im Alter die Zeit schneller zu verrinnen scheint.
In den ersten beiden Lebensdritteln erleben wir viel mehr aktiv und verarbeiten zahlreiche, neue Ereignisse und Veränderungen und wenn wir auf den vollgepackten Tag zurückblicken und auf die vielen Dinge, die wir getan haben, ist die erlebte Zeit subjektiv länger.
Werden im letzten Drittel die aktiven Veränderungen und Erlebnisse weniger und kommen uns routinemäßig vertrauter vor, geschieht das nahezu unbemerkt und diese scheinbare Leere fühlt sich schnell verflogen an, da wir rückblickend kaum etwas erlebt haben oder es zumindest glauben.
Klingt zunächst paradox, aber bei genauerer Überlegung fand ich es einleuchtend. (Übrigens zählen mediale oder ’secondhand‘ Ereignisse nicht zum aktiven Erleben.) Einsiedlerkrebse wie ich haben da natürlich per se schlechte Karten und definitiv zu viel Zeit zum Grübeln (die zählt auch nicht).🙃
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Nur zur Info: Laut aktueller Psychologie kann das Hirn nicht unterscheiden zwischen Realität und Fantasie, zwischen ‚medialen‘ bzw. ’secondhand‘-Ereignissen und wirklichem Erleben. Natürlich versuchen Medizin und Psychologie immer für alles eine Erklärung zu liefern. Du darfst das natürlich gerne glauben, wenn es dir hilft. Wer bestimmt das eigentlich, was ‚zählt‘ und was nicht ‚zählt‘? Selbst das Grübeln gehört in meinen Augen zur Erlebniswelt, natürlich nicht, wenn sich die Gedanken nur im Kreise drehn. Aus meinem Grübeln etwa entstehen kleine Texte, Gedichtchen, die mit Zuspruch gelesen werden und das ist also eine durchaus sinnvoll und spannend verbrachte Zeit und trotzdem rennt die Zeit mir immer davon, weil sie relativ ist. Das ist wohl von der Natur so eingerichtet, damit wir nicht alzu lange unter unserem Altern leiden. Am schnellsten vergeht die Zeit dann beim Übergang vom Leben zum Tod. Das braucht dann keine Sekunde mehr. So verkürzt die Natur uns das Leid ..
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Au contraire, liebe ‚aktuelle Psychologie‘: MEIN Gehirn kann (im Wachzustand) zwischen Realität und Fantasie unterscheiden. Das ist ein Entwicklungsprozess, der fließend im Kindesalter abläuft. Deshalb bezichtigt man kleine Kinder oft fälschlich der Lüge, weil sie beides noch nicht trennen können.
Ich suchte überdies keine Hilfe in dieser Erklärung und muss sie weder glauben noch leugnen.
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Bewusst kannst du das unterscheiden, aber wir Psychoanalytiker meinen das Unterbewusstsein, wenn wir von ‚Hirn‘ reden. Das ist wie bei einem Eisberg: 90 Prozent sind unter Wasser, also dem bewussten Zugriff nicht zugänglich. Es geht auch nicht darum, ob du Hilfe suchst in dieser Erklärung, sondern um die öffentliche Diskusion, an der sich laut meinem alten Prof jeder beteiligen darf.
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Na ja, mit dem Tod ist die Zeit gleich null. Da ich den Übergang nicht merke, spielt sie auch keine Rolle mehr für mICH.
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Genau und das ist ja der Sinn. Das hat die Natur gut eingerichtet.
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Interessante Erklärung. Da ist was dran!
Noch ein Grund zum Grübeln. 😉
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Ich habe erst neulich ein Zettelchen aus einer Schachtel gezogen, das mit dem Jahr 2006 datiert ist und eine Beipackung zu einem Geschenk war. Da ich mich noch genau an den Hintergrund erinnern kann, bin ich zutiefst erschrocken und habe zu rechnen begonnen: In knapp 20 Jahren wäre ich, sofern es mir gegönnt ist, Mitte 70 – dieser Gedanke hat mich erschreckt, denn die letzten 20 Jahre sind besonders vorangerast.
Und des öfteren beschleicht mich ein Gedanke: Ich dachte immer, wenn man älter wird, sei man ein „anderer“ Mensch, vielleicht dickhäutiger, durchsetzungswilliger. Ich erlebe das Gegenteil, ich fühle mich dünnhäutiger und vorsichtiger im Umgang mit Menschen. Auch die Wechseljahre werden gerade uns Frauen als Chance dargestellt, noch einmal neu durchzustarten. Aber vielleicht kommt das ja noch, wer weiß?
Danke für Deine tiefsinnige Betrachtung, die ich sehr gerne gelesen habe.
Herzliche Grüße, C Stern
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„Dünnhäutiger und vorsichtiger im Umgang mit Menschen“ … ja, das trifft auch auf mich zu. 😊
Liebe Grüße
Rosa
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