In diesem Beitrag geht es um meine Schwester Aneta, die sich seit zwei Wochen in der Psychiatrie befindet. Wie es dazu kam, ist eine lange Geschichte. Die kurze Version: Da alle bisherigen Medikamente ihre Depression nicht lindern können, hat die zuständige Psychiaterin sie in die Klinik eingewiesen.
Da sollen jetzt geeignete Medikamente für sie gefunden werden. Die Rede ist von einem Nasenspray, das angeblich gute Wirkung zeigt. Doch es hat Nebenwirkungen, die ernst zu nehmen sind und deswegen müsse sie unter Beobachtung sein. Vollkommen verständlich, aber – statt zügig zu handeln, hielten die Ärzte sie immer wieder hin, mit Überlegungen, das Medikament könne ihr schaden, weil ihr Blutdruck zu hoch ist. Nach sechs Tagen Aufenthalt wurde ihr mitgeteilt, dass sie wahrscheinlich entlassen werden würde. Das hat meine Schwester komplett aus der Bahn geworfen. Dann wollte sie auch sofort raus aus dem Krankenhaus und zurück ins Heim. Darauf sagte man ihr, sie solle noch bis zum nächsten Tag bleiben – der Arzt möchte doch noch mit ihr sprechen.
Um das Ganze noch einmal abzukürzen: Am Donnerstag erhielt sie doch die erste Behandlung mit dem Spray. Der Blutdruck hält sich nun mit dem entsprechenden Medikament in Grenzen. Sie erzählte mir, dass das Spray einen sehr bitteren Geschmack hätte (das wäre ihr aber egal) und sie unmittelbar danach sogar eine Erleichterung verspürte. Vielleicht war es auch bloß Wunschdenken, denn besser geht es ihr seitdem doch nicht. Es ist sicher auch zu früh, einen Erfolg schon nach der ersten Behandlung zu erwarten. Die nächste bekommt sie erst am Montag – also grundsätzlich ca. zweimal in der Woche.
Als ich heute Vormittag mit ihr telefonierte, sagte sie, sie könne und wolle nicht mehr leben – es habe überhaupt keinen Sinn mehr für sie. „Was soll ich nur machen – keiner beachtet mich hier! Ich habe gesagt, dass es mir so schlecht geht, aber die lachen nur und antworten: „Sie bekommen schon ihre Tabletten – heute Abend“. Aber bis zum Abend ist es noch so lange, und die Zeit – die ist unendlich. Ich kann sie nicht mehr aushalten. Ich kann nicht mehr!“
Ja, ich weiß, sie haben eher nicht gelacht – es kam Aneta bloß so vor. Doch wie kann man einen Menschen in so einer Lage ignorieren? Klar können die Krankenschwestern nicht selbst ein Medikament verabreichen, das gegen die Panik ist, aber dafür gibt es doch diensthabende Ärzte. Oder sehe ich das falsch? Warum ist ein Mensch in der Psychiatrie? Um im Notfall Hilfe zu bekommen, oder? Oder muss die Frau erst wieder versuchen, sich die Pulsadern aufzuschneiden?
Doch es gibt auch verständnisvolle MitarbeiterInnen in der Klinik. Eine Schwester redet oft mit Aneta über die Vergangenheit und das Erlebte und zeigt sich einfühlsam. Bedauerlicherweise ist sie jedoch in der Minderheit.
Aneta und ich telefonieren mehrmals am Tag und ich versuche, so gut ich kann, ihr zuzureden. Aber wir wissen alle – Zureden bringt kaum etwas bei einer Depression. Doch manchmal fühlt sie sich nach dem Gespräch ein wenig besser – das teilt sie mir dann auch mit. Wie oft hat sie mir schon gesagt: „Was würde ich nur machen, wenn ich dich nicht hätte? Du redest mit mir, hörst mir zu, erklärst mir, was ich nicht begreife. Du verstehst mich, wie kein anderer“. Das tut mir in der Seele weh, denn ich kann sie wirklich verstehen und mitfühlen, doch leider kann ich ihr nicht helfen. Gegen diese abscheuliche Krankheit bin ich machtlos.
Das Einzige, was ich tun kann, in Gedanken bei ihr zu sein. Auch haben Daggi und ich vor, für ein paar Tage nach Berlin zu fahren und Aneta in der Klinik zu besuchen. Am 26. Dezember geht es los. Sie freut sich darüber – das ist schon mal ein gutes Zeichen.
Aneta wird im Februar 82 Jahre alt, sie ist seit vielen Jahren schwer depressiv, und eigentlich hat sie die Hoffnung, Hilfe zu bekommen, schon aufgegeben … fast.



Das ist ein Wunder, dass du an sie rankommst in ihrer Lage. Da bist du wohl die einzige. Jepp, all diese Mittel haben Nebenwirkungen, betäuben zum Teil die Emotionen, dass sich die Betroffenen fühlen wie von den anderen Menschen isoliert. Ich wünsch dir die Kraft, für deine Schwester da zu sein, wenn sie dich am meisten braucht. Keine leichte Aufgabe. Ich drück die Daumen .. LG Sven <3
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Das liegt wohl an unserer besonderen schwesterlichen Verbindung, die schon von Anfang an besteht. Wir waren uns immer sehr nah.
Es stimmt schon mit den Nebenwirkungen, aber solche Mittel sind notwendig. Mir hilft mein zuletzt verschriedenes Medikament ganz gut, betäubt fühle ich mich überhaupt nicht, eher lebendiger, und was wichtig ist, ich grübele nicht mehr so viel.
Danke dir, Sven, für deine lieben Worte! Ja, es ist nicht leicht, jeden Tag solche Gespräche zu führen, da braucht man viel Geduld, aber für meine Schwester mache ich es gern, und ich werde für sie immer da sein, solange ich kann.
Auch dir wünsche ich für deine Zukunft viel Glück. Schade, dass du mit dem Bloggen, aufhören möchtest. Aber vielleicht kommst ja wieder zurück. 😉 Jedenfalls bin ich mir sicher, du findest das richtige für dich. 👍
Viele Grüße und danke, dass du so lange mein treuer Leser warst und immer noch bist. 🌹
Rosa
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Ich bin ja schon wieder zurück :) Ja, das kann sein, dass die Medikamente heute besser sind als noch vor 20 Jahren, als ich mit Depressiven zu tun hatte. Es kommt natürlich auch auf das Medikament an und wie stark es sein muss. Ich hatte etwa mit einem gesprochen, der wurde jahrelang von seinem Vater missbraucht, so dass er dann mit einem Messer geritzt hat, wenn der Leidensdruck durch Trigger zu groß wurde. Und er sagte, dass er zwar Tabletten nehmen könne, aber dass er dann keine Gefühle mehr spüre. Vielleicht meinte er ja auch Beruhigungsmittel. Ich glaub, bei mir fängt die Demenz schon langsam an, denn ich hab vieles aus der Vergangenheit vergessen oder bring Dinge durcheinander .. 🌹
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Ich denke auch, dass die Medikamente heute schon viel besser sind, als noch vor 20 Jahren …
Wolltest du nicht nur noch ein paar Tage bei WP bleiben und dann von hier verschwinden und evtl. einen Verlag finden? 🤔
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Ja, aber erst nach den Feiertagen im Januar. Ein neues Jahr – eine neue Chance .. 🍄🍀
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David Foster Wallace war ein amerikanischer Schriftsteller und Hochschullehrer für kreatives Schreiben. Er nahm sich im Alter von 46 Jahren in einer schweren depressiven Lage das Leben. Von ihm gibt es ein Fachbuch über die Depression: „Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache“. Da beschreibt er seine Gefühlszustände während der Depression. Er sagt, dass er sich wie auf einem fremden Planeten fühlt (den er Trillaphon tauft) durch die Nebenwirkung seines Medikaments. Er ändert dann auch die Therapie, was leider nichts nützt und kehrt dann doch wieder zu seinem alten Medikament zurück. Nur wirkt es jetzt nicht mehr. Er hatte die schlimmste Art der Depression und sein Arzt sagte ihm, dass er diese bis zu seinem Lebenende nicht loswerden würde. Vielleicht eine Leseanregung für dich? <3
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Danke, ich werde es mir überlegen. 😊
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Es tut dir in der Seele weh! Ohnmächtig liest sich dein Beitrag. Sei herzlich umarmt. Mehr kann ich leider nicht schreiben, mir fehlen die Worte.
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Danke dir von Herzen! ♥️
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Das „fast“ ist wichtig. Vielleicht wächst es und wird immer größer …
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Darauf hoffe ich wirklich. Es muss doch auch für Aneta das richtige Medikament geben! Mir geht es mit meinem neuen, das ich jetzt schon über ein Jahre nehme, auch viel besser. Nur leider ist es für meine Schwester nicht geeignet.
Danke dir und liebe Grüße
Rosa
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Liebe Rosa,
ich wünsche dir und deiner Schwester viel Kraft und die Zuversicht dass ihr dort in der Klinik geholfen werden kann. Manchmal bedarf es einiger Medikamente, die nicht gerade bedenkenlos sind.
Depression ist eine ganz blöde Erkrankung, derer man sich kaum zur Wehr setzen kann. Egal ob es einen selbst betrifft, einen Herzensmenschen oder auch bei mir, die alltägliche Arbeit mit den Menschen, die daran erkrankt sind. Man fühlt sich oftmals hilflos und weiß nicht, was zu tun. Häufig ist es ganz individuell, was dem Menschen hilft. Das Wichtigste ist bei allen jedoch, dass man sie in ihrem Schmerz nicht allein lässt. Dass du für sie da bist, ihr zuhörst, sie ernst nimmst, ihr nahe bist, wird sicher ein großer Schatz für sie sein. Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass das kommende Jahr ein positives werden wird, in der die Hoffnung ganz viel Platz hat.
Ich wünsche dir und deinen Lieben ein gesegnetes und friedliches Weihnachtsfest!
Liebe Grüße
Heike
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Herzlichen Dank für die lieben Worte!
Auch dir wünsche ich schöne Feiertage und alles Gute im neuen Jahr. 🌹
Rosa
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Vielen lieben Dank Rosa! ;-)
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Das tut mir so leid, liebe Rosa. Ich wünsche euch ein herzliches Wiedersehen und wundervolle Momente. In allem Leid ist noch eine Freude. Ich wünsche es euch von Herzen.
Brig
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Danke dir, liebe Brig! ❤️
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Liebe Rosa,
ich wünsche deiner Schwester, das sie bald passend eingestellt ist und sich für sie alles zum Guten wendet.
Und dir eine gute Reise. Es ist eine tolle Idee sie zu besuchen. So stärkst du ihr sicher noch ein wenig den Rücken.
Trude
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Vielen herzlichen Dank! ♥️ Das hoffe ich. 😊
Liebe Grüße
Rosa
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Auf Deinen Besuch wird sie nun warten und es dauert ja auch nicht mehr lange, bis Ihr bei ihr seid, liebe Rosa! Vielleicht könnt Ihr ja auch mit einem behandelnden Arzt reden. Darf sie denn das Haus verlassen und Spaziergänge machen?
Ich hoffe sehr, daß Ihr Deiner Schwester positive Impulse geben könnt.
Ich drücke Euch die Daumen!
Ganz herzlich, Bruni
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Auf all das hoffe ich auch sehr.
Doch – sie darf raus und vielleicht nimmt ihr Sohn sie für die Weihnachtszeit zu sich nach Hause, wenigstens für den Heiligabend. Jedenfalls klang heute ihre Stimme etwas besser. Gestern bekam sie die zweite Behandlung und ich wage kaum zu glauben, dass sie langsam Wirkung zeigt.
Danke sehr für Deine herzlichen Worte! 🌹
Rosa
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Ich kann bei Dir nicht liken…
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Vielleicht weil anonym (nicht angemeldet)? 🤔😊
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Nein, ich bin angemeldet :-)
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Jetzt erkenne ich Dich als Bruni. Beim Kommentar davor steht Anonym. ☺️
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Seltsam
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